Gastbeitrag in der e|m|w – Zeitschrift: KWK-Anlagen richtig fördern

/ enexion

Die KWK-Novelle hat viele Schwachstellen

Die gasbefeuerte Kraft-Wärme-Kopplung soll Kohle als Primärenergieträger in der Wärmeversorgung ersetzen und für Systemstabilität sorgen. So sieht es der Kabinettsentwurf des Kohleausstiegsgesetzes vor. Die Novelle weist jedoch zahlreiche Schwachstellen auf.

Von Björn Vortisch, CEO, enexion Group

Die KWKG-Novelle ist Teil des Kohleausstiegsgesetzes, mit dem die Bundesregierung die Kohleverstromung beenden und die gasbefeuerte Kraftwärmekopplung (KWK) stärken will. Deshalb hat die Bundesregierung mit der Novelle die Förderung für KWK-Anlagen bis Ende 2029 verlängert. Zusätzlich werden neue Boni für Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als einem Megawatt eingeführt. Der Neu- oder Ausbau von Wärmenetzen mit einem Anteil von mindestens 10 Prozent KWK-Wärme soll mit bis zu
40 Prozent der Kosten gefördert werden.

Wegen der Coronapandemie ist allerdings mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen, bis das Gesetz in Kraft tritt. Ende Januar hat das Kabinett einen Entwurf der Novelle beschlossen. Obwohl dieser bereits zahlreiche Änderungen enthält, wird er weiterhin kontrovers diskutiert.

Der Energieträger Gas wird verteuert

Denn das Ende 2019 verabschiedete Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) verteuert den Energieträger Gas: Das Gesetz sieht vor, dass 2021 eine CO2-Steuer für die durch Gas befeuerten Kraftwerke in Höhe von 25 Euro pro Tonne eingeführt wird. Dadurch werden Gasmengen, die nicht dem europäischen Emissionshandel unterliegen – also in der Regel mit einer installierten Feuerungswärmeleistung von unter 20 Megawatt – um ca. 40 Prozent teurer (auf Basis aktueller Großhandelspreise für Erdgas im Mai 2020). 2025 steigen die CO2-Preise weiter auf 55 Euro pro Tonne, was eine Preissteigerung um 90 Prozent im Vergleich zu den jetzigen Marktpreisen bedeutet.

Es soll zwar Härtefallregelungen für energieintensive Unternehmen geben. Die Hürden sind aber so hoch, dass weniger als ein Prozent der 50.000 betroffenen Unternehmen sie in Anspruch nehmen kann – anders, als es zum Beispiel beim EEG der Fall ist. Weil die neue KWKG-Novelle die höheren Belastungen durch das BEHG nicht ausgleicht, konterkariert die Bundesregierung ihr eigenes Gesetz. Die Folge: Gasbefeuerte KWK-Anlagen sind für die Betreiber finanziell nicht attraktiv, und abgeschaltete Kohlekraftwerke werden mit dieser Technologie nicht kompensiert. Mit dem BEHG wird die Kraft-Wärme-Kopplung gegenüber reinen Wärmeerzeugern mit einem geringeren absoluten Gasverbrauch (und damit geringeren CO2-Kosten) schlechter gestellt.

>> Mit dem BEHG wird die Kraft-Wärme-Kopplung gegenüber reinen Wärmeerzeugern schlechter gestellt.

Der Förderzeitraum wird gestreckt

Ein weiteres Manko der KWKG-Novelle:
Die Förderung für Anlagen unter zwei und über zehn Megawatt ist auf 3.500 Vollbenutzungsstunden pro Jahr beschränkt. Um die Gesamtförderung von 30.000 Vollbenutzungsstunden erhalten zu können, müssen die Anlagen daher mehr als acht Jahre betrieben werden. Die Brennstoff-, Betriebs- und Wartungskosten steigen aber mit den Jahren tendenziell an und sind für lange Fristen mit höheren Planungsrisiken versehen. Die damit einhergehende Investitionsunsicherheit kann potenzielle Investoren abschrecken. Außerdem reduziert der verlängerte Förderzeitraum auch die legale Planungssicherheit, weil sich Gesetze und Richtlinien ständig ändern. Bei der aktuell gültigen KWKG-Novelle KWKG 16 gibt es diese Beschränkung dagegen nicht, und dieselbe Anlage bekommt die Gesamtförderung innerhalb von viereinhalb Jahren.

Nur systemdienliche Netzeinspeiser werden gefördert

Die KWKG-Novelle berücksichtigt nur Anlagen, die in das öffentliche Netz einspeisen. Für diesen Strom werden aber Netzentgelte, Abgaben und Umlagen fällig, was die Kosten in die Höhe treibt. Industrielle Erzeugungsanlagen, die ihren Strom beziehungsweise ihre Wärme im Werksnetz direkt und effizient ohne Netzausbau selbst verbrauchen – und ihr Anteil ist relevant und wichtig – werden von der KWKG-Novelle nicht berücksichtigt und somit auch nicht gefördert.
Der Grund: Die Bundesregierung will einzig die Systemdienlichkeit fördern. Aus diesem Grund wird bereits heute die Förderung auch nur dann bezahlt, wenn nicht genügend Solar- und Windenergie zur Verfügung steht. So werden die gut regelbaren KWK-Anlagen nur dann bezuschusst, wenn sie die Fluktuationen der dezentralen Erzeuger ausgleichen, was zu wirtschaftlichen Einbußen für die Betreiber der KWK-Anlagen führt. Boni wie der Kohleersatzbonus werden ebenfalls nur bei einer Einspeisung in das öffentliche Netz gewährt.

Mit den Einnahmen aus dem Brennstoffemissionshandelsgesetz will die Bundesregierung das EEG-Konto entlasten und die EEG-Umlage spürbar senken – eine weitere Maßnahme, die für bestimmte Industrieunternehmen paradoxerweise erhebliche Nachteile bewirken wird:

Zahlreiche Unternehmen verlieren ihre Abgabebefreiun

Wenn die EEG-Umlage sinkt, sinkt auch der Grenzpreis für die Berechnung der Stromkostenintensität energieintensiver Unternehmen. Die Folge: Zahlreiche Unternehmen verlieren die EEG-Umlageprivilegierung (die sogenannte Besondere Ausgleichsregelung), was zu erheblichen Mehrkosten führen wird beziehungsweise den bezogenen oder KWK-erzeugten Strom sprunghaft verteuert.

Die CO2-Minderungsziele werden nicht erreicht

Nach Einschätzung von Experten sind die im Entwurf der KWKG-Novelle enthaltenen Regelungen zudem nicht ausreichend, um Deutschlands Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten und die CO2-Minderungsziele zu erreichen. Denn die Kraft-Wärme-Kopplung ist einfach zu unattraktiv, um den Rückgang der Kohleerzeugungskapazitäten zu kompensieren.

Schwachstellen beheben und das Gesetz schnell verabschieden

Die KWKG-Novelle wird zu spät kommen. Um Rechtssicherheit zu schaffen, hätte sie bereits 2018/2019 eingeführt werden müssen. Denn die Planung, die Genehmigung und der Bau von KWK-Anlagen nehmen mehrere Jahre in Anspruch, und das aktuelle KWKG 16 fördert nur Anlagen, die bis 2022 in Betrieb gehen. Projekte, die auf eine Förderung abzielen, befinden sich derzeit in der Warteschleife. Es ist daher immens wichtig, das Gesetz jetzt schnell zu verabschieden, damit neue Anlagen schnellstmöglich geplant werden können. Die Schwachstellen sollten natürlich vorher behoben werden, damit die gasbefeuerte KWK auch wirtschaftlich ist. So sollten mit den Fördermitteln unbedingt die Mehrkosten durch das BEHG gedeckt werden können. Die Vollbenutzungsstunden sollten nicht beschränkt werden und die industrielle Eigenerzeugung in die Förderung aufgenommen werden.

>> Die KWK-Novelle wird zu spät kommen.

Bei der Ausgestaltung des Gesetzes sollte die Bundesregierung darauf achten, dass die Förderbedingungen einfach und verständlich sind – unsere Erfahrung zeigt, dass derzeit sogar Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an den Richtlinien für KWK-Anlagen scheitern. Bürokratische Hemmnisse sollten unbedingt abgebaut und die Meldepflichten reduziert werden. So müssen Unternehmen derzeit zum Beispiel ähnliche Meldungen an das Hauptzollamt, den Verteilnetzbetreiber, den Übertragungsnetzbetreiber und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) richten, weil die Behörden sich untereinander nicht abstimmen und es keine standardisierten Meldeverfahren gibt.