Energiewende und Energieanlagenbetreiber

10.02.2021 enexion

Auch rund 4 Wochen nach dem Netzfrequenzabfall am 8.1.2021 in Europa mit einem Beinahe-Blackout ist die Ursache noch immer nicht geklärt. Für Georgios Stamatelopoulos vom Internationalen Verband der Energieanlagenbetreiber VGB PowerTech ist klar, dass die Volatilität der regenerativen Stromerzeugung in Europa wahrscheinlich nicht zu den Ursachen gehörte. Das jedenfalls meinte er in einem Interview, welches der Deutschlandfunk am 22.1.2021 mit ihm geführt hat.

VGB PowerTech: Die Stromerzeugung wird volatil
Quelle: https://www.vgb.org/vgbmultimedia/vgb_leitbild2019+DEU+8seiter+FINAL+%28www%29-p-15364.pdf (Seite 6)

Was beim aktuellen Vorgang der Fall sein kann. Dennoch ist die mit dem weiteren Ausbau der der Wind- und Solarenergieanlagen immer stärker werdende Volatilität der Erneuerbaren eines der Hauptprobleme der Energiewende. Aktuell gibt es noch genügend Großkraftwerke, die mit ihren gewaltigen Schwungmassen die Netzfrequenz mechanisch stabilisieren. Momentan werden mindestens 20 GW (Durchschnittsstrom bedarf 62,5 GW, Höchstbedarf 85 GW in Deutschland / Stand 2020) konventionell erzeugter Strom ins Netz eingespeist. Mit der Abschaltung diverser Steinkohlekraftwerke – hervorstechend dabei das erst 6 Jahre am Netz befindliche Großkraftwerk Moorburg, das jetzt in eine Wasserstoffherstellungsanlage umgebaut wird, dem Ausstieg aus der Kernenergie bis Ende 2022 und dem bis zum Jahr 2038 oder – wenn möglich – früher geplanten kompletten Kohleausstieg wird die Frage der Netzstabilität immer relevanter und prekärer. Das räumt auch der Vorstand des VGB PowerTech, Georgios Stamatelopoulos ein. In einer früheren Aussage (August 2015) meinte Herr Stamatelopoulos, dass Wechselrichter und ein digitales Stromnetz die Netzstabilität gewährleisten werden. Dann, wenn die heute stabilisierenden Großkraftwerke nicht mehr am Netz sein werden:

In Zukunft werden dafür Wechselrichter eingesetzt, zur Regelung sei ein digitales Netz erforderlich. […] In Zukunft müssen über eine Million Erzeugungsanlagen sowohl bei der Leistung als auch für die Stabilität des Netzes geregelt werden. […] Die Anforderungen müssen deshalb langfristig vorausschauend entwickelt und verankert werden. […] ein Netz, das alle Erzeugungssituationen meistern kann. Laut Stamatelopoulos haben die Energieversorger folgende Möglichkeiten diese Herausforderungen zu bewältigen: Lastmanagement, die konsequente und großflächige Abregelung, die Speicherung und die Transformation von überschüssiger Energie aus den Verteilnetzen an die Transportnetze. […] Aus: https://www.energie-klimaschutz.de/dezentralitaet-energiewende-2/

Selbstverständlich wird die konsequente und großflächige Abregelung (Brownout) in der Übergangszeit bis zur kompletten Wasserstoffwirtschaft in einigen Jahrzehnten als Ergänzung zur regenerativen Stromversorgung eine große Rolle spielen. Die gesetzlichen Grundlagen für die Realisierung dieser notwendigen Blackout-Vermeidungsstrategie werden aktuell weiterentwickelt. Stichwort: Spitzenglättung. Der Bürger will die Energiewende, der Bürger bekommt die Energiewende. Mit ihr verbunden ist der Schwenk von einer bedarfsorientierten Energieversorgung hin zu einer zuteilungsorientierten. Damit der Bürger dies akzeptiert, werden bereits Lockdown ähnliche Szenarien – nicht nur von Karl Lauterbach Somit benötigen wir Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung sind […]“. – in Sachen Klimawandel durchdacht:

[…] braucht es – wie im Frühjahr gesehen – sehr rigide Maßnahmen. Allerdings sind die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Kollateralschäden bei einem solchen Vorgehen so hoch, dass die Politik davor zurückschreckt. […] Niemand hat gefordert, dass wir als Reaktion auf die Herausforderung des Klimawandels einen vollständigen Lockdown durchführen sollen. Die gemeinsame Forderung von Wissenschaft und Klimabewegung ist relativ simpel: Uns im Rahmen unserer Möglichkeiten so anzustrengen, dass wir den Pariser Klimavertrag einhalten. Von der Einhaltung dieses Vertrages sind wir weit entfernt. Weniger als 20 Prozent der Vertragsstaaten haben verbindliche und hinreichende Zusagen gemacht. Auch Deutschland ist weit von einem Pfad entfernt, mit dem Emissionsbudget, das sich aus dem Klimavertrag von Paris errechnet, auszukommen. […] Die drastischen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung haben weltweit zu einem starken Rückgang der Emissionen geführt. Von dieser Besonderheit abgesehen gibt es gegenwärtig keine Anzeichen für eine nationale oder internationale Kursänderung in Richtung Nachhaltigkeit. […] Quelle: https://www.energie-klimaschutz.de/lockdown-fuer-den-klimawandel/

Das Video mit dem Beitrag von Georgios Stamatelopoulos beim Debattenabend „Energiewende aktuell: Wie viel Dezentralität ist möglich und nötig?

https://youtu.be/U8ZnTaJ3TrA

Es ist bemerkenswert, dass zum Schluss des Videoausschnitts auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn hingewiesen wird. Das wundert deshalb nicht, weil Deutschland im Falle z. B. einer Dunkelflaute wohl damit rechnet, Strom von genau diesen Nachbarn geliefert zu bekommen. Darauf geht Herr Stamatelopoulos im aktuellen Interview mit dem Deutschlandfunk konsequenterweise nicht ein. Unsere europäischen Nachbarn werden ihren Strom in kalten Wintern selbst benötigen. Deshalb argumentiert er als Vertreter der Energieanlagenbetreiber konsequent im Sinn einer Energiewende, die bis 2050 in Deutschland tatsächlich vollendet sein soll. Alle kursiven Zitate unten aus dem Interview des Deutschlandfunks mit Georgios Stamatelopoulos:

https://www.deutschlandfunk.de/experte-zu-stromversorgung-schwankungen-im-system-steigen.694.de.html?dram:article_id=491283 Dort können Sie das Interview auch hören.

Wie Sie wissen, ist es mittlerweile gesellschaftlicher Konsens, dass wir diese Energiequellen [Kohle, Erdgas] minimieren sollen und auf null fahren sollen bis zum Jahr 2050.

Der aktuelle Vorstand eines über 100 Jahre alten Verbands, der lange Jahre die Interessen von Großenergieanlagenbetreibern vertreten hat, schwenkt komplett auf die Rettung vor dem Klimawandel mittels Energiewende sprich auf die komplette Dekarbonisierung der Energieerzeugung in Deutschland ein. Zu der Frage, welche Energieträger in Zeiten einer Dunkelflaute den dann fehlenden Strom ersetzen sollen, meint Herr Stamatelopoulos:

Eine weitere Quelle von disponibler Leistung [für die wegfallenden Kern-, Kohle- und Gaskraftwerke] sind die Speicher. Davon gibt es Pumpspeicherkraftwerke und auch Batterien. Die Speicher können einen Beitrag leisten für die disponible Leistung. Allerdings ist dieser Beitrag kurzfristig. Die können eine längere Phase, wo wir volatile Erneuerbare, wo wir Erneuerbare aus Wind und aus Sonne nicht zur Verfügung haben, nicht abdecken. Dafür gibt es den Begriff der 14-tägigen Dunkelflaute. Das heißt, für 14 Tage scheint die Sonne nicht oder nicht besonders, es ist dunkel, und es herrscht eine Flaute, es gibt keinen Wind, von daher auch keine Windenergieerzeugung. Für diese Fälle sind die Speicher nicht geeignet. Dann bleibt als dritte Quelle von disponibler Leistung die disponiblen erneuerbaren Energien, weil es solche auch gibt. Das ist Biomasse, Biogas und auch die grünen Gase. Prominenter Vertreter der grünen Gase, der in den letzten Monaten auch sehr stark in Diskussion ist in Deutschland, ist der Wasserstoff.

Inwieweit die aufgeführte disponible Leistung Biomasse, Biogase tatsächlich den fehlenden Strom aus Wind- und Solarenergie während einer Dunkelflaute ersetzen können, sei dahingestellt. Wir meinen, dass nur der Energieträger Wasserstoff das Potential mit sich bringt, den Energie- und Strombedarf während einer länger anhaltenden Dunkelflaute nachhaltig zu decken. Deshalb ist umfassende Forschung in diesem Bereich trotz des aktuell fehlenden CO2-Einsparpotentials von Wasserstoff ganz sicher sinnvoll. Das CO2-Einsparpotential ergibt sich erst, wenn die Stromerzeugung zu 100% regenerativ ausgebaut wurde. Das soll in den Jahren bis 2050 sukzessiv geschehen.

Wenn mittels einer ausgebauten Wind-, Solar- und Netzstruktur der regenerativ erzeugte Strom ausreicht, um den Bedarf generell zu decken und in Starkwindzeiten dieser regenerativ erzeugte Strom in erheblichem Umfang ´überschüssig` anfällt, dann sollte man in der Lage sein, diesen Strom in Form von Wasserstoff zu speichern und zum Schließen von eventuellen Stromlücken des komplett regenerativen Systems und mehr (Sektorenkopplung) zu verwenden. Hinzu kommt selbstverständlich noch die Option, regenerativ erzeugten Wasserstoff aus Ländern zu importieren, die den Überfluss von Solarenergie dazu nutzen, den westlichen Staaten die dringend benötigte Energie in Form von Wasserstoff zu liefern. Ohne diesen Wasserstoffimport wird es kaum möglich sein, die Energieversorgung in Deutschland komplett regenerativ zu gestalten.

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