„Carbon Leakage“ verhindern – Fortführung der Strompreis-Kompensation bedeutet aktive Klimaschutzpolitik

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Die Energiewende und der ökologische Umbau der Industrie kann nur erfolgreich sein, wenn Produktion nicht in Länder mit weniger strengen Emissionsgesetzen verlagert wird. Jede Produktionsverlagerung in außereuropäische Standorte schädigt die Umwelt- und Klimabilanz in Europa benötigter Produkte und ist keine klimafreundliche Umweltpolitik.

Positive Klima- und Effizienzbilanz durch umweltschonend hergestellte Kupferprodukte

Was „Carbon Leakage“ bedeutet, lässt sich am Beispiel der Kupferindustrie bestens darstellen. Die Herstellung von Kupferprodukten ist mit einem hohen Stromverbrauch verbunden. Die wesentlichen Produktionsländer unterscheiden sich jedoch deutlich hinsichtlich ihrer Ökobilanz und Verbrauchseffizienz. In der EU und in Deutschland prägen die weltweit strengsten Umweltauflagen und geringsten Energieverbräuche bzw. Emissionen den Kupfersektor.[1] Eine Tonne Kupfer in Deutschland produziert erzeugt um die Hälfte weniger Emissionen als der weltweite Durchschnitt. So sind die Anteile an deutlich umwelteffizienterem Recycling-Kupfer in Deutschland und der EU besonders hoch. In der EU stammen ca. 15 Prozent des Stroms aus Kohlekraftwerken. In China dagegen liegt der Kohlestromanteil mit über 60 Prozent viermal so hoch. Dementsprechend höher sind die Emissionen sowie andere negative Umweltauswirkungen der verlagerten Produktion.[2]

Belohnung von „schmutziger“ Produktion – Preisnehmer können lokale Mehrkosten nicht an den Markt weitergeben

Genormte Kupferprodukte werden auf Basis von internationalen Börsennotierungen zu weltweit gleichen Preisen gehandelt. Ein Unternehmen des Kupfersektors gilt deshalb als „Preisnehmer“. Er kann umweltpolitisch bedingte höhere Standortkosten nicht an den Markt weitergeben. Kann ein umweltschonender Produzent seine durch höhere Standards hervorgerufenen Kostennachteile nicht minimieren, verliert er Marktanteile an die weniger umweltfreundliche Konkurrenz, zum Beispiel in China.

EU-Kommission plant Aufhebung des Preisnehmer-Kriteriums bei Strompreis-Kompensation

Bislang konnten Unternehmen die CO2-Preis-induzierten Strommehrkosten im Rahmen der „Strompreiskompensation“[3] teilweise ausgleichen. Nun hat die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission für die anstehende Novellierung der Beihilfekriterien einen Entwurf vorgelegt, der das wichtige Preisnehmer-Kriterium nicht mehr berücksichtigt. Die Konsequenz dieser Politik: Die im internationalen Vergleich umweltschonende deutsche und europäische Kupferindustrie wird nicht mehr von den lokalen Strommehrkosten geschützt sein.

„Carbon Leakage“ schadet sowohl ökonomisch als auch ökologisch

In China fallen wegen der staatlichen Regulierung der Industriestrompreise dagegen keine Strompreissteigerung für dortige Produzenten an[4] – selbst nach der Einführung eines Emissionshandelssystems nicht, weil die Zertifikate-Preise viel niedriger festgelegt werden sollen. In Deutschland aber treiben zahlreiche Steuern und Umlagen die Stromkosten nach oben, sodass sich die Wettbewerbsverzerrungen für heimische Unternehmen verschärfen.

Eine paradoxe, klimaschädliche Situation: Obwohl das Preisnehmer-Kriterium wissenschaftlich belegt ist, steigt der Anteil klimaschädlicher hergestellter Kupferimporte in die EU bereits.  Der für das Klima positive Beitrag lokaler Kupferproduktion ist zwar belegt, dennoch gibt die EU-Kommission den Verlagerungsschutz aus politischen Gründen auf – und heizt damit den Klimawandel faktisch an.

Kupferwertschöpfung muss aus Klimaschutzgründen in der EU bleiben

Zudem wächst durch die anstehende Wettbewerbsverzerrung der Verlagerungsdruck: Bei dem derzeitigen europäischen CO2-Preis von ca. 30 Euro pro Tonne werden innereuropäische Unternehmen mit lokalen Strompreis-Mehrkosten in Höhe von mehr als 40 Prozent der operativen Kosten einseitig belastet – ohne diese Kosten an die Märkte weitergeben zu können.[5]  Gerade für den Klima- und Umweltschutz muss die ökologisch führende Produktion innerhalb der EU wettbewerbsfähig bleiben. Die bereits erkennbare Tendenz, Produktion zu verlagern, darf nicht zu Lasten der Emissionsbilanz weiter angereizt werden. Die energieintensive Industrie muss unverändert als entlastungsberechtigter „Carbon Leakage“-Sektor im EU-Emissionshandel und bei der Strompreiskompensation behandelt werden. Eine weitere nachweislich klimaschädliche Produktionsverlagerung weg aus Europa ist zu verhindern. Zumal allein die Nichteisen-Metallindustrie in der EU etwa 500.000 Arbeitsplätze sichert.

[1] Fraunhofer, Ecofys (2015): Stromkosten der energieintensiven Industrie, S. 60

[2] Bundeszentrale für politische Bildung (22. Feb. 2019): EU – USA – China: Energiemix 2016

[3] Teilkompensation auf Basis Art. 10a Abs. 6 ETS-Richtlinie 2013 – 2020, es verbleiben bereits mehr als 25% Mehrkostenanteil (2019, 2020) bei den betroffenen Unternehmen

[4] Li, L. et al. (2018): China’s climate policies with an emphasis on carbon trading mark, Briefing EU ENVI, PE626.077

[5] Wood Mackenzie (2019)